Die Vision für die Zukunft der Landwirtschaft und Ernährung ist da: Worte zählen, Taten umso mehr!

Einhundert Tage nach Amtsantritt sollte Agrarkommissar Christophe Hansen seine Vision zur Zukunft der Landwirtschaft vorstellen. Am Mittwoch, den 19. Februar 2025, war es soweit, Herr Hansen hat die Vision zur Zukunft der Landwirtschaft und Ernährung präsentiert.

Das lange Warten hat nun ein Ende. Auf gut 24 Seiten beschreibt Christophe Hansen, welche Weichen er für die Zukunft der Landwirtschaft in Europa stellen will und was unsere Bäuerinnen und Bauern in den nächsten fünf Jahren und darüber hinaus von der Europäischen Kommission erwarten können. Unser Agrarkommissar hat die Ärmel hochgekrempelt und liefert (Kaum im Amt hatte er bereits Ende letzten Jahres, am 10. Dezember, zwei Gesetzesvorschläge zur Verbesserung der Position der Landwirte in der Agrar- und Lebensmittelproduktionskette vorgelegt).

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Es trägt eindeutig die Handschrift der Europäischen Volkspartei EVP, unserer gemeinsamen Parteienfamilie. Durch ihn positioniert sich die EVP glaubwürdig als „Partei der Landwirte“ (engl. farmers‘ party). Auch viele CSU/CDU-Positionen finden sich wieder. Die Landwirte stehen im Zentrum und die Vision trägt dem Rechnung. Die Landwirtschaft der EU muss wettbewerbs-, widerstands- und zukunftsfähig werden. Genauso wie Präsidentin von der Leyen hat Hansen glücklicherweise erkannt, dass die überbordende Bürokratie in der EU auch einen riesigen Bremsklotz auf dem Hof darstellt. Jede Minute, die wir Landwirte mit Papierkram beschäftigt sind, fehlt uns dann auf dem Feld oder im Stall. In der Gesellschaft, Wirtschaft, aber vor allem in der Landwirtschaft stehen wir vor riesigen Herausforderungen zwischen Klimawandel, Wirtschaftlichkeit und Generationenwechsel. Dazu brauchen wir gescheite Politik und zielgerichtete Unterstützung. Dabei können wir aber nicht von Stockholm bis Lissabon die gleichen Regeln vorschreiben. Ich begrüße es sehr, dass Hansen das Vorgehen nach dem Prinzip „eines für alles“ (engl. one size fits all) endlich beenden will. Ein weiterer Aspekt, der mir persönlich sehr wichtig ist, ist die Rolle der Lebensmittel und unsere Essgewohnheiten. Die Vision betont, dass unsere Verbraucher die freie Auswahl haben sollten. In den Ergebnissen des Strategischen Dialogs zur Landwirtschaft hatte das noch anders geklungen. Diese Perspektive der Vision unterstütze ich uneingeschränkt, denn die EU sollte nicht vorschreiben, was wir uns auf unsere Teller tun. Fleisch gehört für mich zur Ernährung dazu.

Dem gegenüber gibt es aber auch einige Punkte, die ich kritisch sehe. Hansen wird nicht müde, die Relevanz von Dialog und breitem gesellschaftlichem Konsens zu betonen. Dabei müssen wir aufpassen, dass dieser Prozess nicht wieder zum „Reden über die Landwirte“ verkommt, anstatt sie in die Debatte mit einzubeziehen. Unsere Bäuerinnen und Bauern müssen wirklich im Zentrum der Debatte verankert sein und aktiv ihre Stimme einsetzen, nur das wird ihrer Schlüsselposition gerecht. Darüber hinaus erwähnt die Vision die ökologische Landwirtschaft an einigen Stellen. Ihr Potenzial und ihre Relevanz für die Zukunft werden unterstrichen. Generell hat die EU bis 2030 das Ziel ausgerufen, mindestens 25 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in der EU ökologisch zu bewirtschaften.

Gleichzeitig beharrt die EU-Kommission auf der strengen Umsetzung der Weidepflicht im Rahmen der Öko-Verordnung. Das ist doch paradox! Mit diesem Starrsinn bringt die Kommission viele Landwirte in Bedrängnis, auch bei mir in Unterfranken, die nun um ihre Öko-Zertifizierung bangen oder gleich zurück zur konventionellen Landwirtschaft wechseln. Ich begrüße, dass Hansen für den Frühling ein Vereinfachungspaket einiger Agrarregelungen angekündigt hat, unter anderem die „bessere Anerkennung unterschiedlicher landwirtschaftlicher Praktiken (wie der ökologischen Landwirtschaft)“. Ich habe Hansen bereits auf die dramatische Situation der betroffenen Landwirte hingewiesen und hoffe, dass er hier Klarheit schaffen wird.

Abschließend möchte ich noch auf den Punkt der Gemeinsamen Agrarpolitik, kurz GAP, eingehen. Jede Bäuerin und jeder Bauer weiß: Landwirtschaft muss sich (wieder) lohnen. Vieles in der Vision klingt vollmundig – bessere Entlohnung, Stärkung der Verhandlungsposition und auch neue Verdienstmöglichkeiten. Fakt ist: Europa hat so viele Baustellen – Verteidigung, Sicherheit, Wirtschaft – alle Bereiche fordern Aufmerksamkeit und vor allem auch finanzielle Zuwendungen. Viele Landwirte sind aber aus die Unterstützung aus Brüssel angewiesen. Uns werden harte Verhandlungen zur neuen GAP nach 2027 bevorstehen, allein schon um das aktuelle Finanzierungsniveau zu halten. Wenn ich jetzt aber lese, dass die Unterstützung eher an diejenigen gehen soll, die sie „am dringendsten benötigen“ und dazu noch, dass die EU-Staaten „mehr Verantwortung und Rechenschaftspflichten erhalten sollen“, wie sie die GAP-Ziele erreichen, dann mache ich mir Sorgen, in welche Richtung Hansen die Verhandlungen führen wird. Seit letztem Herbst wabern diese und weitere Ideen nämlich durch Brüssel. Anstelle, dass sie begraben wurden, musste ich nun feststellen, dass sie weiterhin „am Leben“ sind.

So gut sich die Vision zur Zukunft der Landwirtschaft und Ernährung auch liest, jetzt muss Herr Hansen seine Bekenntnisse mit entsprechenden Taten untermauern. Letztendlich wird er sich nämlich an seinem Handeln messen lassen müssen. Es bleibt abzusehen, wie seine konkreten Umsetzungsvorschläge aussehen werden, zum Beispiel konkrete Erleichterungen für die Landwirtschaft oder auch spürbare Vereinfachungen der GAP bis hinunter zu den Landwirten. Meine Erwartungen an die nächsten Jahre sind hoch. Sollte Herr Hansen hier nicht liefern können, sehe ich bald wieder Traktoren die Straßen unserer Hauptstädte entlang rollen!

Link zur Vision

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